Ob Energieerzeugung, Kommunikation oder Mobilität: Technik braucht Metallrohstoffe. Auch das Konzept der Kreislaufwirtschaft adressiert einen erhöhten Bedarf. Erze zur Gewinnung der Metalle stammen bis heute aus kontinentalen Lagerstätten. Sie sind aber auch in der Tiefsee, im Boden der Ozeane, zu finden. Welche Rohstoffe kann man dort erschließen? Wer hat derzeit Interesse am Tiefseebergbau? Welche Risiken für die Ökosysteme sind mit großflächigen Eingriffen in Tausenden Metern Meerestiefe verbunden? Diese und andere Fragen standen Ende Juni bei einer Kooperationsveranstaltung mit acatech, der Deutschen Akademie der Technikwisssenschaften und der Evangelischen Stadtakademie in München im Mittelpunkt.
Marc Denis Weitze von acatech blickt zurück auf die Tagung:
"Erleben wir nach dem Wettlauf ins All nun den Wettlauf in die Tiefsee? Mit dieser Frage eröffnete acatech Präsident Jan Wörner die Diskussionsrunde Die Tiefsee zu erschließen, so der ehemalige ESA-Generaldirektor, sei aufgrund der dort vorhandenen Rohstoffvorkommen eben für viele Wirtschaftsnationen ein interessantes Unterfangen – auch mit Blick auf die strategische Souveränität, die Staaten dadurch erlangen können.
Bergbau in mehreren Tausend Metern Meerestiefe
In seinem Einstiegsvortrag stellte Matthias Haeckel vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel heraus, dass derzeit noch alle Metallerze auf den Kontinenten gefördert würden. Um die Versorgung abzusichern, seien jedoch in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder auch die Ozeane in den Fokus von Regierungen und Rohstoffunternehmen gerückt. Viele Fragen zu einem potenziellen Erzbergbau in der Tiefsee seien allerdings bis heute offen.
Im Fokus der öffentlichen Diskussion stehen vor allem die sogenannten Manganknollen. Dabei handelt es sich um kugel- oder blumenkohlförmige Erzknollen, die meist in Tiefen unterhalb von 4.000 Metern auf den großen Tiefseeebenen liegen. Sie bestehen, neben Mangan, auch aus Eisen sowie Kupfer, Kobalt oder Nickel. Die größten Vorkommen sieht man derzeit im zentralen Pazifik, auf einer Fläche so groß, wie die Hälfte der Fläche Europas.
Überlegungen und Explorationen seien hier schon recht weit fortgeschritten, berichtete Matthias Haeckel. Um wirtschaftlich abzubauen müsste jährlich eine Fläche von mehreren hundert Quadratkilometern bearbeitet werden – vergleichbar der Fläche der Landeshauptstadt München. Damit werden auch die Herausforderungen des Tiefseebergbaus deutlich: Das Ökosystem auf dem Tiefseeboden in Manganknollen-Gebieten beherbergt eine vielfältige Fauna, die wir allerdings noch gar nicht richtig kennen.
Die Internationale Meeresbodenbehörde (International Seabed Authority, ISA) verwaltet den gesamten Meeresboden außerhalb der Ausschließlichen Wirtschaftszonen (200-Meilen-Zone) einzelner Staaten. Bis heute hat die ISA 18 Forschungslizenzen zur Erkundung von Manganknollenfeldern im Pazifik vergeben. Es gebe aber noch keine Abbaulizenzen, das wäre erst ein nächster Schritt, erläuterte Matthias Haeckel. Umweltauswirkungen des Abbaus werden jetzt anhand des Prototyps eines Manganknollen-Sammlers (Expeditionen 2019, 2021 und 2022) untersucht. Dieser wirkt wie ein „Staubsauer“, der Sedimente in einer Schicht von einigen Zentimetern aufwirbelt – und damit den gesamten mit Fauna durchzogenen Bereich umgestaltet. Welche Auswirkungen diese Eingriffe und die erzeugten Sedimentwolken – auch längerfristig – auf das Ökosystem haben, wird noch untersucht. Matthias Haeckel beendete seinen Vortrag mit der Schlüsselfrage: Wie viel und welche Art von Tiefseebergbau ist akzeptabel, damit der Schutz der Tiefsee gewährleistet ist?
Chancen…
Leonhard Weixler, Geschäftsbereichsleiter Maritime Technologien der Firma BAUER Maschinen GmbH, begann seinen Beitrag mit zwei mitgebrachten Gesteinsproben: eine Manganknolle sowie ein Stück Massivsulfid, das ebenfalls aus mehreren tausend Metern Meerestiefe stammt und wertvolle Metalle wie Kupfer, Zink, Gold und Silber enthält. Für den Abbau dieser Erzlieferanten interessiert sich Weixler mit seinem Unternehmen für Spezialtiefbaumaschinen. Seit rund 15 Jahren sucht das Unternehmen nach Potenzial für Innovationen auf dem Meeresboden. Im Gegensatz zum Abbau der Manganknollen sollen für den Abbau von Massivsulfid wesentlich kleinere Flächen bearbeitet werden, denn in diesen Flächen werde umweltverträglicher weiter in die Tiefe gebohrt und weniger stark in der Fläche gearbeitet.
Leonhard Weixler sieht hier großes Potenzial, auch für en Industriestandort Deutschland. Als Vorstandsvorsitzender der DeepSea Mining Alliance möchte er die Innovationen im Tiefseebergbau durch Forschung unterstützen. Den Tiefseebergbau per se zu kritisieren, weil im Manganknollen-Abbau große ökologische Probleme gesehen werden, halte er für unangemessen. Entsprechend plädierte er für einen umweltverträglichen, „minimal-invasiven“ Abbau. Zudem müsse Deutschland an Standards und Regularien sowie deren Entwicklung stärker mitwirken. Die Chancen, die in der Tiefsee für uns liegen, sollten erschlossen werden, so sein Plädoyer.
…und Risiken des Tiefseebergbaus
Jan Pingel vom Ozeanien-Dialog, einem Zusammenschluss von NGOs und kirchlichen Organisationen, sieht Tiefseebergbau dagegen generell kritisch. Wir wüssten nur sehr wenig, z.B. über die Ökosysteme dort, und würden die „multiple Krisen der Meere“ (Erwärmung und Versauerung der Meere, Plastikmüll, Korallensterben, …) nur weiter befördern, so seine These. Von diesen Krisen sei Deutschland zwar nicht betroffen, jedoch seien es die Menschen, die – etwa in pazifischen Regionen – vom Meer leben. Probleme würden durch Tiefseebergbau keine gelöst. Es gebe entsprechend viele ökologische und gesellschaftspolitische Argumente, eine Pause im Tiefseebergbau einzulegen und stattdessen mehr Meeresforschung zu betreiben.
Die Kontroverse bleibt bestehen
Die Grundlage für die Kontroverse um den Tiefseebergbau bilden einerseits die unterschiedlichen Einschätzungen zu aktuellen Rohstoffbedarfen unserer technikabhängigen Gesellschaft (Steigerung in Zeiten der Energiewende und wachsende Kommunikationsinfrastrukturen vs. Hoffnungen auf Kreislaufwirtschaft und auf weniger rohstoffintensive technische Lösungen). Andererseits sind es die unterschiedlichen Positionen in der Wissenschaft bezüglich der ökologischen und gesellschaftlichen Risiken durch Tiefseebergbau. Diese komplizierte Gemengelage war auch am 25. Juni zu beobachten: Soll im Sinne des Vorsorgeprinzips eine Pause im Tiefseebergbau eingelegt werden, oder wäre gerade die weitere Erforschung des Tiefseebergbaus der Weg für umweltverträgliche Innovationen in diesem Bereich?
Weder auf dem Podium noch im Publikum wurde hier Einigkeit erzielt. Aber das sei auch gar nicht das Ziel der Veranstaltung gewesen, wie Moderatorin Barbara Hepp, Leiterin der Evangelischen Stadtakademie München, am Ende deutlich machte. Vielmehr, so schloss ihr Kollege Thomas Zeilinger, der Beauftragte der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern für Ethik im Dialog mit Technologie und Naturwissenschaft, an, sei es darum gegangen, ein aktuelles, kontroverses Thema aus dem Bereich 'Technik und Gesellschaft' aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten und ins öffentliche Bewusstsein zu rücken."
PD Dr. Marc-Denis Weitze, acatech