Europäische KI für die Kirchen Europas

Fluss mit Brücke
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Vor einem Monat war ich in der tschechisch-polnischen Grenzstadt Teschen bei der Südosteuropakonferenz der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen Europas (GEKE) zu Gast. Wir diskutierten dort zu den Möglichkeiten, die der Einsatz von KI in kirchlichen Arbeitsfeldern bietet und zu den Fragen, die KI an das menschliche Selbstverständnis stellt. Die Tagung führte mir auf ihre Weise vor Augen, wie wichtig eine europäische Perspektive zum Thema ist. 

Im politischen Kontext wird zur Zeit ja allerorten betont, dass es beim Thema KI europäisch zu denken und zu handeln gilt. Aktuell ist das durch die Veränderungen in den USA und die sich damit verbindenden globalen Verwerfungen getriggert. Allerdings ist das Thema der „digitalen Souveränität“ keineswegs neu, sondern wird seit langem diskutiert. Dass die entscheidenden Plattformen für die Kommunikation in den USA (X, Instagram) bzw. in China (TikTok) zuhause sind, wurde vielfach beklagt, aber wenig hat sich deshalb bisher daran geändert. Wobei inzwischen verstärkt ein gemeinwohlorientiertes digitales Netzwerk, ein "Digital Open Public Space" (DOPS), als Gegengewicht zu den marktmächtigen Plattformen gefordert wird. Ein solches neues Netzwerk solle als öffentlich-rechtliche Kommunikationsinfrastruktur auf Barrierefreiheit, Datenschutz und demokratische Diskursförderung ausgerichtet sein, so ein heute vorgestelltes Gutachten für das ZDF.

Offen, ob sich diese nicht ganz neue Forderung nun besser realisieren lässt. Und offen auch, ob sich die Abhängigkeit von anderen Wirtschafts- und Kulturräumen nun im Blick auf die KI-Plattformen und Modelle ändern lässt. Wenig spricht zunächst dafür, da Rechenkapazitäten und große Datensätze eben in den USA und China konzentriert sind.

Auf der anderen Seite könnte es eben auch ein Momentum für europäische Perspektiven bei diesem Thema geben. Die EU hat soeben eine Anpassung ihrer KI-Strategie veröffentlicht, die Europa im globalen KI-Wettbewerb durch den Aufbau von sogenannten Gigafabriken stärken soll, also leistungsfähiger Rechenzentren, in denen komplexe KI-Modelle trainiert werden sollen. Ob diese Strategie aufgeht, hängt freilich an zwei weiteren Faktoren. Zum einen müssen Unternehmen und Finanzmarkt entsprechend investieren und Produkte entwickeln, zum anderen müssen sich genügend Kund:innen finden, sowohl im Feld von Unternehmen und Organisationen wie bei den privaten Nutzer:innen.

An dieser Stelle kommen die Kirchen in Europa wieder ins Spiel. Sie stehen selbst vor der Herausforderung, für ihre Organisation neu zu prüfen, ob bisherige und geplante Software-Lösungen auch unter den aktuellen Bedingungen den Anforderungen in Sachen Datenschutz und -sicherheit stand hält. Noch steht das Trans-Atlantic Data Privacy Framework (TADPF), aber die bange Frage lautet: wie lange und wie zuverlässig?

Und auch die Nutzer:innen stehen vor der Frage, ob sie immer zum einfachst zugänglichen und gebräuchlichsten, und damit zugegebenermaßen oft auch allerbesten Modell greifen müssen. Ebendies fiel mir bei der eingangs erwähnten Konferenz in Teschen auf, als es galt, mit einem selbstgewählten KI-Modell zu experimentieren: Fast keine:r der anwesenden Kirchenvertreter:innen griff zu etwas anderen als zu Chat-GPT. Hinweise auf andere KI-Modelle wie das Large-Language-Modell Le Chat der französischen KI-Firma Mistral wurden dankbar und interessiert zur Kenntnis genommen, wurden aber bisher in der eigenen Praxis noch nicht ausprobiert. Dabei bietet Mistral vielversprechende Ansätze, z.B. indem es auf eine Kombination vieler kleinerer Sprachmodelle zur Bearbeitung einer Aufgabe setzt. Die Leistung bleibt gleich, bzw. ist im Detail sogar besser, aber die Betriebskosten und der Energieeinsatz sinken. "Die Mistral-Modelle sind nur in seltenen Fällen so gut wie die weltweit besten Modelle am Markt. Aber sie sind oft kosteneffizienter, datenschutzkonform und für viele Anwendungsfälle mehr als ausreichend." Wie wäre es also, privat wie für kirchliche Zwecke mal nicht zum Platzhirsch ChatGPT von Open AI zu greifen, sondern sich mit Le Chat von Mistral vertraut zu machen? 

Auch dieses Beispiel zeigt, wie wichtig Bildung und Wissen in der Auseinandersetzung mit KI sind. Der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt (kda) hat deshalb für 2025 "KI” als Jahresthema gewählt und bietet eine Reihe von Veranstaltungen für eine Vielzahl unterschiedlicher Zielgruppen und beruflichen Felder: https://kda-bayern.de/termine/kategorie/jahresthema-2025-ki/. Vorbeischauen lohnt sich!