Mit dem Lockdown der Corona-Krise kam der Flugverkehr fast völlig zum Erliegen. Das Geschäft der Lufthansa sank in 2020 auf ein Drittel des Vorjahres. Der Einsatz von Staatsgeldern ein gewaltiger Abbau der Kosten um die Hälfte waren die unmittelbare Folge. Dieser radikale Einschnitt verstärkt die Frage, wie die globalisierte Weltgesellschaft in Zukunft die Luftfahrt organisieren wird,
Zu dieser Frage veranstalteten wir in Kooperation mit Acatech, der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften und der Evangelischen Stadtakademie München am 19. Januar eine Podiumsdiskussion. Hier der Tagungsbericht von Claudia Strauß von acatech:
„Der Luftverkehr ist in der Vergangenheit eine Boom-Industrie gewesen, mit einer Verdopplung des Aufkommens alle zwanzig Jahre“, so Stefan Häberlein, Leiter des Bereich Strategie und Nachhaltigkeit der Flughafen München GmbH. Engpässe an Flughäfen und erhöhte Umweltbelastungen waren die Folge. Vor diesem Hintergrund gibt es schon lange Bestrebungen, die Luftfahrt nachhaltiger zu gestalten. Bereits heute gibt es Angebote der Airlines, den eigenen CO2-Austoß durch verschiedene Programme zu kompensieren. Diese Angebote würden jedoch nur wenig genutzt. In Zukunft kämen beispielsweise mit verstärkter Regulierung von Sustainable Alternative Fuels (SAF) noch weitere Maßnahmen hinzu.
Mit der Corona-Pandemie kam es zu einem radikalen Einbruch des Fluggastaufkommens von bis zu 90 Prozent. Dieser Einbruch beschleunige die bereits andauernde Konsolidierung in der Branche, die mittelfristig zu einer Verknappung des Angebots und damit verbundenen höheren Kosten für Flugreisen führen werde, so Stefan Häberlein. Trotzdem blickt er optimistisch in die Zukunft und rechnet mittel- bis langfristig mit einer Erholung des Marktes auf Vor-Corona Niveau, denn der Wunsch der Menschen zu reisen bestehe weiterhin. Das stetig wachsende Nachhaltigkeitsbewusstsein der Bevölkerung werde sich, wenn überhaupt, dann erst langfristig auf den Markt auswirken.
Mirko Hornung, Inhaber des Lehrstuhls für Luftfahrtsysteme an der TU München und Vorstand Wissenschaft und Technik beim Forschungsverbund Bauhaus Luftfahrt beleuchtete in seinem Kurzimpuls die Randbedingungen, die für eine langfristig ökologisch nachhaltige Gestaltung der Luftfahrt erforderlich sind. Zum Erreichen der Klimaziele bis 2050 sei in der Luftfahrt ein Emissionsreduktion von 75 bis 85 Prozent erforderlich. Ein Maßnahmenpaket aus neuen Technologien und veränderter Primär-Energieversorgung (unter anderem durch grünen Wasserstoff), Effizienzsteigerungen und angepassten Geschäftsmodellen wären dafür entscheidend. Kraftstoffe der Zukunft müssten daher nicht nur klimafreundlicher, sondern zugleich auch preiswerter werden. Dies könne nur erreicht werden, wenn alternative Kraftstoffe in den dafür günstigen Regionen hoch-skaliert produziert würden.
Für Airbus ist grünes Fliegen bereits ein zentrales Thema in der Entwicklung zukünftiger Flugzeugtechnologien. Nicole Dreyer-Langlet, Vice President Research & Technology bei Airbus sieht die ersten Schritte solcher Technologien ab dem Jahr 2035 als realistisch an und stellt bereits erste Überlegungen zu Flugzeugen mit Hybridantrieben auf Basis von Flüssigwasserstoff vor. Neben neuen Technologiekonzepten sei auch die Digitalisierung von tragender Rolle für mehr Effizienz im Luftverkehr wie beispielsweise bei der Flugroutenplanung oder auch der digitalen Anbindung des Passagiers an das Gesamtsystem Luftverkehr. Dreyer-Langlet betonte außerdem, dass es der gemeinsamen Anstrengung von Wissenschaft, Politik und Industrie bedarf, um derartige Gedankenspiele so bald wie möglich Realität werden zu lassen und dem Zeitdruck gerecht zu werden.
Die Digitalisierung und der verstärkte Einsatz von Videokonferenzen machen es laut Dieter Janecek, MdB für die Fraktion BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN und Sprecher für digitale Wirtschaft und Industriepolitik, wahrscheinlich, dass es nach der Corona-Pandemie im Gegensatz zu privaten Reisen, weniger Dienstreisen mit dem Flugzeug geben werde. Um die Klimaziele zu erreichen, werde neben der Reduktion des Flugverkehrs der Einsatz von nachhaltigem Kraftstoff wesentlicher Bestandteil sein. Darüber hinaus müsse die Forschung für alternative Kraftstoffe, wie Wasserstoff intensiviert werden. Aus politischer Sicht bedarf es laut Dieter Janecek für mehr Nachhaltigkeit vor allem mehr gemeinsame Anstrengungen auf globaler Ebene. Deutschland und die EU sollten außerdem als Treiber des klimaneutralen Fliegens als Positivbeispiel voranschreiten und dafür insbesondere in Forschung und Entwicklung investieren. Um den Markt auch wirtschaftlich nachhaltig zu gestalten, müsse die Politik außerdem über europaweite CO2-Bepreisungen nachdenken. Fliegen würde damit unweigerlich erstmal teurer werden. Noch besser wäre es jedoch, den Flugverkehr sukzessive, vor allem innerhalb Europas, durch die Bahn zu ersetzen.
Aus dem Publikum wurden Fragen dazu gestellt, wann mit der Einführung und Zulassung neuer potenziell disruptiver Technologien und Kraftstoffe gerechnet werden könne und welche Infrastrukturen dafür nötig wären. Dazu führten Dreyer-Langlet und Hornung insbesondere die langen Planungshorizonte der Infrastrukturmaßnahmen und den enormen Aufwand hinsichtlich technologischer Innovationen in diesem Bereich an. Beide sähen die erste Umsetzung frühestens in der nächsten Dekade. Im Anschluss wurden die Grenzen und Möglichkeiten diskutiert, für diese Technologien gesellschaftliche und politische Akzeptanz herzustellen und inwiefern heutige Konsummuster aufrechterhalten werden können, oder eben nicht.
Quelle: https://www.acatech.de/allgemein/die-zukunft-der-luftfahrt/