Am 17. November diskutierte das Netzwerk Ethik der bayerischen Landeskirche ethische Aspekte der Leihmutterschaft: Wie geht man mit dem Kinderwunsch in unterschiedlichen Paar- und Familienkonstellationen um? Was ist Familie? Sollten der Realität steigender Behandlungszahlen im Ausland durch ein modernes Fortpflanzungsmedizingesetz Rechnung getragen werden?
Ruth Denkhaus vom Zentrum für Gesundheitsethik in Hannover hatte es trotz Bahnstreiks zu der von knapp 50 Personen besuchten Tagung ins Hotel am alten Park nach Augsburg geschafft. Sie führte kundig ins ein Thema ein und brachte die Runde zu Begriffen und juristischen Regelungen auf Stand. „Traditionelle“ und „gestationale“ Formen der Leihmutterschaft (die „Leihmutter“ ist die genetische Mutter, bzw. ihr wurde eine befruchtete Eizelle via IVF eingepflanzt), sind ebenso zu unterscheiden wie „kommerzielle“ und „altruistische“ Formen. Auch wenn Leihmutterschaft in Deutschland nicht als solche explizit verboten ist, so ist sie dies doch dadurch, dass weder die Eizellenspende noch die Vermittlung von Ersatzmutterschaft erlaubt sind. Und auch das Familienrecht setzt mit seiner Regelung, dass als Mutter diejenige gilt, die das Kind geboren hat, eine schwer zu überwindende Hürde. Interessant der Blick über die nationalen Grenzen hinaus auf die unterschiedlichen Regelungen, insbesondere in den europäischen Nachbarländern. Besonders spannend war der Blick nach Großbritannien, weil die aktuellen Überlegungen dort das Wohl des Kindes in den Mittelpunkt stellen.
Den Wandel im Familienbild stellte der Theologe Bastian König in seinem Beitrag vor. Auch ihm war am Vortag die Anreise aus Hannover gelungen. Engagiert plädierte er dafür, die Familie als soziale Konstruktion zu verstehen und die Qualität der verschiedenen Beziehungen innerhalb heutiger Familienformen an deren Gelingen zu messen. Die von ihm kritisch zitierte Redewendung „Blut ist dicker als Wasser“ wurde in der anschließenden Diskussion aufgegriffen: Gibt es einen bleibenden Sinn der genealogischen Vorstellungen (vgl. die biblische Bedeutung der Stammbäume)? Woher nehmen wir die notwendigen Regelungen zur Definition der Rechte und Pflichten in der Familie?
Wie wichtig es ist, beim Thema Leihmutterschaft auf Zwischentöne und Differenzierungen zu achten, zeigte das folgende Gespräch zwischen Peter Dabrock und Esther Paulmann aus Erlangen. Die individuellen Motive, den Weg der Leimutterschaft auch hoch verantwortlich zu suchen, kamen ebenso eindrücklich in Blick wie die Vielfalt von Gründen, die Frauen bewegen, als Leihmutter ein Kind auszutragen und in eine andere Familie zu geben.
Nach der Mittagspause setzten zwei bahnstreikbedingt über Zoom zugeschaltete Beiträge den Blick auf die Kontexte des Themas fort: Petra Thorn aus Mörfelden-Walldorf stellte vor dem Hintergrund ihrer langjährigen Erfahrung in der Kinderwunschberatung die Frage, welche Bedingungen bei einer Zulassung der Leihmutterschaft in Deutschland gegeben sein müssten. Silke Koppermann, Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe in Hamburg, wies auf die möglichen gesundheitlichen Konsequenzen für die Beteiligten hin, v.a. für die Frauen, die sich als Leihmütter zur Verfügung stellen und warnte vor einer „wunscherfüllenden Medizin“.
Die Rückmeldungen aus der Runde zeigten, wie wichtig es ist, das Thema tatsächlich mit und in seinen verschiedenen Kontexten zu diskutieren. Nur so gelangt der notwendige Diskurs über ein einfaches Pro und Contra hinaus und es kommen Themen wie das Wohl des Kindes und die Rechte der Leihmutter in den Blick.